Verbrannte Kohle, verbrannte Erde 11FREUNDE

Publish date: 2024-12-16

Grüner Rauch steigt langsam im Unterrrang der Düs­sel­dorfer Arena auf, aus dem Ober­rang schießen römi­sche Lichter. Erst nur ver­ein­zelt, dann immer mehr bis sich der Gäs­te­block in ein Meer aus stern­schnup­pen­ar­tigen Lich­tern ver­wan­delt. Es ist eine dieser Pyro­shows, bei der selbst die größten Kri­tiker der Ultra-Bewe­gung hinter ihrem Chaoten“-und-„Rowdys“-Gemurre eine gewisse Bewun­de­rung nicht ver­hehlen können. Und auch der DFB sah ganz genau hin: 165.000 Euro muss Han­nover 96 für die Pyro­show der Fans in Düs­sel­dorf zahlen. Nur ein Bei­spiel von vielen, denn ins­ge­samt kommt der Verein für Ver­gehen in der ver­gan­genen Saison auf über 600.000 Euro. Die Rekord­summe bei den Nie­der­sachsen sorgt für den zweiten Platz in der DFB-Stra­fen­ta­belle hinter Ein­tracht Frank­furt und noch vor den übli­cher­weise auf den vor­deren Plätzen zu fin­denden Ver­einen wie Dynamo Dresden, Hansa Ros­tock oder auch dem HSV und Dort­mund. Das könnte den seit Jahren schwe­lenden Kon­flikt zwi­schen Teilen der Klub­füh­rung und der aktiven Fan­szene weiter, nun ja, befeuern. 

Gäh­nende Leere im Nie­der­sach­sen­sta­dion

Der Lieb­lings­verein von Ger­hard Schröder, Carsten Maschmeyer und Oliver Pocher befindet sich seit Jahren in Händen des Groß­burg­we­deler Hör­ge­räte-Moguls Martin Kind. Dieser liegt in einem bei­nahe schon als tra­di­tio­nell zu bezeich­nenden Dau­er­clinch mit der aktiven Fan­szene um die Deu­tungs­ho­heit bei Han­nover 96. In dem Streit gab es bereits unter anderem: gegen­sei­tige Belei­di­gungen, eine Ver­eins­an­teils­über­nahme zum Spott­preis, will­kür­lich gekün­digte Mit­glied­schaften, regel­mä­ßige Kind muss weg Rufe“, einen Boy­kott der Ultras, die schein­bare Ent­mach­tung Kinds durch die Mit­glie­der­ver­samm­lung, einen Ex-Kanzler als Auf­sichtsrat von Kinds Gnaden und den bei­nahe erfolgten Zwangs­ab­stieg in den Ama­teur­be­reich wegen Umge­hung der 50+1‑Regel.

Nachdem nun die Zah­lungs­auf­for­de­rungen des DFB für die Pyro­shows bei den Aus­wärts­par­tien in Fürth (16.800 Euro), Ham­burg (108.000 Euro) und Düs­sel­dorf (165.000 Euro) bei 96 ein­tru­delten, wies die Spiel­be­triebs-GmbH in einem State­ment darauf hin, dass die über 600.000 Euro Gesamt­strafe in der letzten Saison an anderen Ecken im Verein fehlten. Der Klub drohte seinen Anhän­gern, dass künftig auch Ver­bands­strafen in die Preis­ge­stal­tung (der Tickets, d. Red.) ein­fließen werden“. Eine Über­le­gung, die sich als durchaus ris­kant erweisen könnte, denn das Nie­der­sach­sen­sta­dion ist in der 2. Bun­des­liga kein Zuschau­er­ma­gnet. Ein Schnitt von etwas über 30.000 bedeu­tete in der letzten Saison den schlech­testen Wert seit zwanzig Jahren. Auch zum Sai­son­auf­takt wurde das weite Rund am Maschsee mit 29.200 Zuschauern nur halb­voll. Gegen unat­trak­tive Teams wie Auf­takt­gegner Elvers­berg kommen mitt­ler­weile so wenige Men­schen, dass die 96-Com­mu­nity vor sol­chen Spielen auf Social Media bereits Witze über diesen Umstand macht – kein Wunder bei Ticket­preisen von 37 Euro für die Gegen­ge­rade.

Als Boll­werk gegen leere Ränge fun­giert einzig die immer volle Han­no­ve­raner Nord­kurve – doch aus­ge­rechnet gegen diese schoss Kind bei einer Podi­ums­dis­kus­sion einer Lokal­zei­tung erneut. Auf die Frage, ob nicht auch völlig unbe­tei­ligte Fans durch die in Aus­sicht gestellten höheren Ticket­preise betroffen seien, meinte Martin Kind süf­fi­sant lächelnd, die Preis­an­he­bung ließe sich auch selektiv gestalten“, womit ver­mut­lich die Tickets in der Nord­kurve gemeint sind. Auch 96-Stürm­er­le­gende und Kind-Pro­tegé Dieter Schatz­schneider gab bei sel­biger Runde neben seinen Ansichten zu veganer Ernäh­rung („Mein Körper lehnt das ab“) und Frau­en­fuß­ball („ist wie ne vegane Wurst“) auch seine starke Mei­nung zu den eigenen Ultras zum Besten. Für ihn sei dieses Geblöke und Geschreie nicht wichtig“, er wolle statt­dessen echte Fans, die nichts for­dern, son­dern ein­fach nur ein gutes Spiel sehen wollen. Wofür wollen die eigent­lich Mit­spra­che­recht? Für Geschreie?“

Derlei Aus­füh­rungen legen den Ver­dacht nahe: Hier geht es nicht um finan­zi­elle Pro­bleme, viel­mehr soll den Ultras im Dau­er­streit ein wei­terer Haken gegeben werden. Dabei sind die Kind muss weg“-Rufe mitt­ler­weile auch abseits der Nord­kurve zu hören. Eska­paden wie der Kom­mentar zum Wechsel von Marcel Hals­ten­berg, den Kind als naive Vor­stel­lung“ abtat, wäh­rend sein Sport­di­rektor bereits mit RB Leipzig dar­über ver­han­delte, oder die offene Infra­ge­stel­lung des Trai­ners und der Mann­schaft nach dem ersten Spieltag sorgen auch bei gemä­ßigten Sitz­platz­fans für Kopf­schüt­teln.

Spiel mit dem Feuer

Für lang­jäh­rige Han­no­ve­raner Sta­di­ongänger dürften solche Aus­sagen kaum mehr als ein Rau­schen im Blät­ter­wald sein, wes­halb es bisher auch noch keine Stel­lung­nahme zur mög­li­chen Ticket­er­hö­hung aus der aktiven Fan­szene der Nie­der­sachsen gibt. Mit seinem geschätzten Ver­mögen von 600 Mil­lionen Euro könnte der agile 79-jäh­rige Martin Kind die Ver­bands­strafen eigent­lich aus der Por­to­kasse bezahlen. Schließ­lich spielt auch der demo­gra­phi­sche Wandel seinem Geschäfts­mo­dell mit Hör­ge­räten und Brillen in die Karten. Doch statt­dessen macht der Patri­arch lieber den nächsten Neben­kriegs­schau­platz auf. Es scheint: In Sachen Ruhe und Har­monie spielt Martin Kind ähn­lich gerne mit dem Feuer wie die Han­no­ve­raner Ultras im Block – nur dass der Klub dies statt mit Straf­zah­lungen an den DFB mit sport­li­chem Miss­erfolg in den ver­gan­genen Jahren bezahlte.

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